"Deutsche Post DHL hat einen Ruf zu verlieren"
Vielen Menschen war gar nicht klar, wie es ihren Paketzustellern geht. Das hat Reinhard Schädler mit seinem Film geändert. Er hat die Missstände der Paketbranche aufgedeckt. Was muss sich nun ändern, damit Steuer- und Sozialgesetze eingehalten werden?
NDR.de: Sie haben wochenlang undercover als Paketzusteller gearbeitet. Niemand in dem Betrieb wusste, dass Sie Journalist sind. Haben Sie zu Ihren Kollegen Kontakt aufgenommen, nachdem der Film fertig war?
"Nachdrücklich überrascht" zeigt sich Autor Reinhard Schädler von der Resonanz auf seinen Film. Reinhard Schädler: Bis zur Ausstrahlung unseres Films habe ich tatsächlich keinen Kontakt zu meinen Zusteller-Kollegen aufgenommen. Wir wollten die Fahrer ganz bewusst nicht dem Risiko aussetzen, in den Verdacht zu geraten, unsere Informanten zu sein oder auf sonst eine Art mit uns zusammenzuarbeiten. Dies entspricht auch der Realität. Von unserer Undercover-Aktion wussten nur ganz wenige Personen. Eingeweiht waren vor allem Verantwortliche des Norddeutschen Rundfunk.
Auch später habe ich tatsächlich zunächst gezögert, die Fahrerkollegen anzusprechen, weil ich alle immerhin wochenlang mit versteckten Kameras heimlich gefilmt habe. Ich hätte es gut verstanden, wenn da der eine oder andere empfindlich reagiert hätte. Ich setze das Mittel der verdeckten Filmerei sehr vorsichtig und nur dann ein, wenn es keine andere filmischen Möglichkeit gibt, Missstände aufzudecken. Umso erfreuter war ich, als ich dann erfuhr, dass die Kollegen den Film extrem positiv aufgenommen haben, einige haben sich bei mir dafür bedankt, dass wir auf diesem Weg auf die schlechten Arbeitsbedingungen in der Firma und der Branche aufmerksam gemacht haben.
NDR.de: Welche Reaktionen haben Sie auf Ihren Film bekommen?
"Sklaventum ist noch eine Untertreibung"
Viele Zuschauer waren entsetzt, unter welchen Bedingungen Paketzusteller arbeiten. Auch zahlreiche Paketfahrer, denen der Film aus der Seele gesprochen hat, haben sich gemeldet. mehr
Schädler: Die Resonanz auf den Film hat mich nachdrücklich überrascht. Ich hatte selten ein so einhelliges und breites Feedback, das deutlich über das gerade in Medienkreisen übliche Schulterklopfen hinausging. Das fing bei den vielen Kollegen an, die in anderen Redaktionen und Medien arbeiten, und ging hin bis zu völlig fremden Personen, die mich auf der Straße erkannten und ansprachen. Am meisten freuten mich die Rückmeldungen über das Forum auf den NDR Internetseiten von 45 Min. Da haben sehr sehr viele Menschen ihre Meinung gepostet. Der Grundtenor der Rückmeldungen lautet zusammengefasst: 'Wir wussten gar nicht, zu welchen Bedingungen die Pakete an unsere Haustür gebracht werden.' Viele empörten sich über die miserable Entlohnung und die brutalen Arbeitszeiten. Die Zustände in der Branche seien peinlich und menschenunwürdig und mit den gängigen Regeln und dem Verständnis unseres Arbeitslebens und unserer Gesellschaft nicht vereinbar. Ermutigend wie beängstigend sind die Kontakte, die sich nach Ausstrahlung ins europäische Ausland ergeben haben. So wie es im Moment aussieht, scheint Lohndumping in der Paket- und Kurierdienstbranche ein europäisches Problem zu sein.
NDR.de: Sie haben mit Ihrer Dokumentation die Missstände aufgedeckt, die in der Paketbranche herrschen. Warum haben Sie nun einen weiteren Film zu dem Thema gemacht?
Bessere Arbeitsbedingungen für Kurierfahrer im Norden?
Am 8. Dezember 2011 gab es Hoffnung, dass sich etwas ändert. Deshalb hatte 45 Min folgendes vermeldet:
"Der Logistik-Konzern Deutsche Post DHL hat auf unsere Recherchen reagiert. Die betroffene Hamburger Firma HFL/TEW, die als DHL Servicepartner Pakete unter anderem in Hamburg, Kiel, Flensburg und Bremen zustellt, wird ein neues System zur Sicherstellung der Einhaltung der Regelungen des Arbeitszeitgesetzes einführen. Zudem verweist die Konzernkommunikation Deutsche Post DHL darauf, dass auch die Vergütung von Arbeitszeit und Mehrleistung angepasst werden solle."
Nach unseren Recherchen hat sich an den Arbeitsbedingungen aber bis jetzt nichts geändert.
Schädler: Entgegen der Versprechungen der Deutschen Post, die ja der Auftraggeber der Firma ist, bei der ich als Paketzusteller angestellt war, hat sich bis heute nichts an der schlechten Lage der Fahrer geändert. Das Belegen unsere Recherchen, die wir in dem aktuellen Film veröffentlichen. Es scheint sogar das Gegenteil der Fall zu sein. Der Druck auf die Fahrer hat sich erhöht. Unser erster Film scheint den ein oder anderen Fahrer dazu ermutigt zu haben, für seine ihm eindeutig zustehenden Arbeitnehmerrechte einzutreten. Sobald die Firmenleitung allerdings herausbekommt, dass sich die Kollegen beispielsweise bei der Gewerkschaft Verdi beraten lassen wollen, müssen sie mit enormem Druck von Seiten der Firmenleitung rechnen. Wir dokumentieren in dem aktuellen Film den Fall eines Fahrers, der massiv unter Druck gesetzt wurde, weil er sich trotz massiver Drohgebärden dazu bekannte, zu einer Verdi-Informationsveranstaltung zu gehen. Noch am gleichen Tag bekam er seine Kündigung.
NDR.de: Was haben Sie für diesen zweiten Teil Neues herausgefunden?
Schädler: Die Deutsche Post DHL hat ihrem Versprechen, kurzfristig in punkto Arbeitszeit und Entlohnung etwas für die Fahrer zu tun, nach unseren Recherchen nicht eingehalten.
NDR.de: Meinen Sie, der Logistik-Riese wird doch noch positiven Einfluss auf die Arbeitsbedingungen seiner Subunternehmer nehmen?
Schädler: Es fällt mir schwer, das einzuschätzen. Ehrlich gesagt, hätte ich erwartet, dass das Unternehmen tatsächlich intensiver und schneller auf Änderungen dringt. In der Branche gilt der Konzern mit einer Fremdvergabe von lediglich zehn Prozent in der Paketzustellung ja als Vorreiter. Insofern hat das Unternehmen, nach meiner Meinung, durchaus einen Ruf als sozialer und fairer Arbeit- und Auftraggeber zu verlieren.
NDR.de: Was ist nötig, damit sich die Arbeitsbedingungen in der Paketbranche verbessern?
"Konzerne schüren Existenzängste"
Preiskampf und Konkurrenzdruck belasten die Sub-Unternehmer der Paketbranche, meint Giovanni Berardi, der einen Branchenverband vertritt. Wie lässt sich die Situation verbessern? mehr
Schädler: Im Prinzip müssen die Auftraggeber, also die Big Five (Hermes, GLS, DPD, UPS und Deutsche Post), darauf dringen, dass ihre Auftragnehmer die Pakete zu fairen und sozial gerechten Bedingungen zustellen lassen. Dazu müssen sie natürlich auch Preise pro Paket bezahlen, die es dem Subunternehmer ermöglichen, den Auftrag sauber zu kalkulieren und ihn unter Einhaltung der deutschen Steuer- und Sozialgesetze durchzuführen. Unsere Recherchen zeigen, dass das gerade dort, wo die Arbeitnehmer besonders schlecht behandelt werden, nicht immer der Fall ist.
Quelle : NDR
Vielen Menschen war gar nicht klar, wie es ihren Paketzustellern geht. Das hat Reinhard Schädler mit seinem Film geändert. Er hat die Missstände der Paketbranche aufgedeckt. Was muss sich nun ändern, damit Steuer- und Sozialgesetze eingehalten werden?
NDR.de: Sie haben wochenlang undercover als Paketzusteller gearbeitet. Niemand in dem Betrieb wusste, dass Sie Journalist sind. Haben Sie zu Ihren Kollegen Kontakt aufgenommen, nachdem der Film fertig war?
"Nachdrücklich überrascht" zeigt sich Autor Reinhard Schädler von der Resonanz auf seinen Film. Reinhard Schädler: Bis zur Ausstrahlung unseres Films habe ich tatsächlich keinen Kontakt zu meinen Zusteller-Kollegen aufgenommen. Wir wollten die Fahrer ganz bewusst nicht dem Risiko aussetzen, in den Verdacht zu geraten, unsere Informanten zu sein oder auf sonst eine Art mit uns zusammenzuarbeiten. Dies entspricht auch der Realität. Von unserer Undercover-Aktion wussten nur ganz wenige Personen. Eingeweiht waren vor allem Verantwortliche des Norddeutschen Rundfunk.
Auch später habe ich tatsächlich zunächst gezögert, die Fahrerkollegen anzusprechen, weil ich alle immerhin wochenlang mit versteckten Kameras heimlich gefilmt habe. Ich hätte es gut verstanden, wenn da der eine oder andere empfindlich reagiert hätte. Ich setze das Mittel der verdeckten Filmerei sehr vorsichtig und nur dann ein, wenn es keine andere filmischen Möglichkeit gibt, Missstände aufzudecken. Umso erfreuter war ich, als ich dann erfuhr, dass die Kollegen den Film extrem positiv aufgenommen haben, einige haben sich bei mir dafür bedankt, dass wir auf diesem Weg auf die schlechten Arbeitsbedingungen in der Firma und der Branche aufmerksam gemacht haben.
NDR.de: Welche Reaktionen haben Sie auf Ihren Film bekommen?
"Sklaventum ist noch eine Untertreibung"
Viele Zuschauer waren entsetzt, unter welchen Bedingungen Paketzusteller arbeiten. Auch zahlreiche Paketfahrer, denen der Film aus der Seele gesprochen hat, haben sich gemeldet. mehr
Schädler: Die Resonanz auf den Film hat mich nachdrücklich überrascht. Ich hatte selten ein so einhelliges und breites Feedback, das deutlich über das gerade in Medienkreisen übliche Schulterklopfen hinausging. Das fing bei den vielen Kollegen an, die in anderen Redaktionen und Medien arbeiten, und ging hin bis zu völlig fremden Personen, die mich auf der Straße erkannten und ansprachen. Am meisten freuten mich die Rückmeldungen über das Forum auf den NDR Internetseiten von 45 Min. Da haben sehr sehr viele Menschen ihre Meinung gepostet. Der Grundtenor der Rückmeldungen lautet zusammengefasst: 'Wir wussten gar nicht, zu welchen Bedingungen die Pakete an unsere Haustür gebracht werden.' Viele empörten sich über die miserable Entlohnung und die brutalen Arbeitszeiten. Die Zustände in der Branche seien peinlich und menschenunwürdig und mit den gängigen Regeln und dem Verständnis unseres Arbeitslebens und unserer Gesellschaft nicht vereinbar. Ermutigend wie beängstigend sind die Kontakte, die sich nach Ausstrahlung ins europäische Ausland ergeben haben. So wie es im Moment aussieht, scheint Lohndumping in der Paket- und Kurierdienstbranche ein europäisches Problem zu sein.
NDR.de: Sie haben mit Ihrer Dokumentation die Missstände aufgedeckt, die in der Paketbranche herrschen. Warum haben Sie nun einen weiteren Film zu dem Thema gemacht?
Bessere Arbeitsbedingungen für Kurierfahrer im Norden?
Am 8. Dezember 2011 gab es Hoffnung, dass sich etwas ändert. Deshalb hatte 45 Min folgendes vermeldet:
"Der Logistik-Konzern Deutsche Post DHL hat auf unsere Recherchen reagiert. Die betroffene Hamburger Firma HFL/TEW, die als DHL Servicepartner Pakete unter anderem in Hamburg, Kiel, Flensburg und Bremen zustellt, wird ein neues System zur Sicherstellung der Einhaltung der Regelungen des Arbeitszeitgesetzes einführen. Zudem verweist die Konzernkommunikation Deutsche Post DHL darauf, dass auch die Vergütung von Arbeitszeit und Mehrleistung angepasst werden solle."
Nach unseren Recherchen hat sich an den Arbeitsbedingungen aber bis jetzt nichts geändert.
Schädler: Entgegen der Versprechungen der Deutschen Post, die ja der Auftraggeber der Firma ist, bei der ich als Paketzusteller angestellt war, hat sich bis heute nichts an der schlechten Lage der Fahrer geändert. Das Belegen unsere Recherchen, die wir in dem aktuellen Film veröffentlichen. Es scheint sogar das Gegenteil der Fall zu sein. Der Druck auf die Fahrer hat sich erhöht. Unser erster Film scheint den ein oder anderen Fahrer dazu ermutigt zu haben, für seine ihm eindeutig zustehenden Arbeitnehmerrechte einzutreten. Sobald die Firmenleitung allerdings herausbekommt, dass sich die Kollegen beispielsweise bei der Gewerkschaft Verdi beraten lassen wollen, müssen sie mit enormem Druck von Seiten der Firmenleitung rechnen. Wir dokumentieren in dem aktuellen Film den Fall eines Fahrers, der massiv unter Druck gesetzt wurde, weil er sich trotz massiver Drohgebärden dazu bekannte, zu einer Verdi-Informationsveranstaltung zu gehen. Noch am gleichen Tag bekam er seine Kündigung.
NDR.de: Was haben Sie für diesen zweiten Teil Neues herausgefunden?
Schädler: Die Deutsche Post DHL hat ihrem Versprechen, kurzfristig in punkto Arbeitszeit und Entlohnung etwas für die Fahrer zu tun, nach unseren Recherchen nicht eingehalten.
NDR.de: Meinen Sie, der Logistik-Riese wird doch noch positiven Einfluss auf die Arbeitsbedingungen seiner Subunternehmer nehmen?
Schädler: Es fällt mir schwer, das einzuschätzen. Ehrlich gesagt, hätte ich erwartet, dass das Unternehmen tatsächlich intensiver und schneller auf Änderungen dringt. In der Branche gilt der Konzern mit einer Fremdvergabe von lediglich zehn Prozent in der Paketzustellung ja als Vorreiter. Insofern hat das Unternehmen, nach meiner Meinung, durchaus einen Ruf als sozialer und fairer Arbeit- und Auftraggeber zu verlieren.
NDR.de: Was ist nötig, damit sich die Arbeitsbedingungen in der Paketbranche verbessern?
"Konzerne schüren Existenzängste"
Preiskampf und Konkurrenzdruck belasten die Sub-Unternehmer der Paketbranche, meint Giovanni Berardi, der einen Branchenverband vertritt. Wie lässt sich die Situation verbessern? mehr
Schädler: Im Prinzip müssen die Auftraggeber, also die Big Five (Hermes, GLS, DPD, UPS und Deutsche Post), darauf dringen, dass ihre Auftragnehmer die Pakete zu fairen und sozial gerechten Bedingungen zustellen lassen. Dazu müssen sie natürlich auch Preise pro Paket bezahlen, die es dem Subunternehmer ermöglichen, den Auftrag sauber zu kalkulieren und ihn unter Einhaltung der deutschen Steuer- und Sozialgesetze durchzuführen. Unsere Recherchen zeigen, dass das gerade dort, wo die Arbeitnehmer besonders schlecht behandelt werden, nicht immer der Fall ist.
Quelle : NDR