Kampf um den Hamburger Hafen: Beteiligung MSC an HHLA?

    • Kampf um den Hamburger Hafen: Beteiligung MSC an HHLA?

      Ein Paukenschlag im Hamburger Hafen.
      Die weltweit größte Containerschiffreederei MSC (Eigentümer ital. Hintergrund, Sitz in Genf in der Schweiz) hat ein Übernahmeangebot für 49,9% der Anteile an der Hamburger Hafen und Lagerhaus AG (HHLA) abgegeben. Offenbar hat die MSC dafür die Unterstützung der Hamburger Politik. Die Stadt Hamburg wird mit 50,1% knapp Mehrheitsgesellschafter bleiben.
      MSC einigt sich mit Hamburg über Einstieg bei HHLA

      Vor wenigen Tagen hatte Klaus Michael Kühne einen öffentlichen Vorstoß unternommen und Interesse an der Übernahme der HHLA signalisiert.
      Er kritisierte dabei das Managment der HHLA. Der Vorstoß wurde von der Hamburger Politik abgeschmettert:
      Hamburger Senat lehnt sofort ab: Milliardär Kühne will HHLA übernehmen - n-tv.de

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    • thommygera schrieb:

      Habe ich heute morgen auch gelesen und mich gefragt, was genau jetzt gegen Herrn Kühne sprach.
      Kühne agiert kommunikativ oft "wie die Axt im Walde" und hat vermutlich deswegen in seiner Heimatstadt Hamburg nicht nur Freunde. Ich schätze mal einigen in HH stellen sich die Nackenhaare auf, wenn Klaus Michael Kühne medial mal wieder eine Standpauke niedergehen lässt.
      Diesmal ging die Attacke insbesondere in Richtung der umstrittenen HHLA Chefin Angela Titzrath.

      Beim Deal mit MSC bleibt die Position von Titzrath wohl unangetastet.
      Zudem winkt MSC mit seiner extremen Wachstumsstrategie um jeden Preis mit zusätzlichem Aufkommen und Arbeitsplätzen.

      Nachdem vor ein paar Monaten die Minderheitsbeteiligung der chinesischen COSCO am Hamburger Tollerort Terminal (CTT) für richtigen Wirbel in Medien und Politik sorgte:
      Das wenig transparente Italo-Schweizer Familienunternehmen MSC kann man mit den gleichen Argumenten auch eher kritisch sehen...

      Das wird noch für richtig Wellen und ganz großes Kino sorgen:
      Kühne ist wohl "not amused" (vornehm ausgedrückt :D ) und erwägt ein Gegenangebot.
      Eventuell zusammen mit Hapag Lloyd, wo er mit 30% Großaktionär ist.
      Hamburger Hafengesellschaft HHLA: Klaus-Michael Kühne erwägt Gegenangebot - DER SPIEGEL
      Klaus-Michael Kühne bringt Gegenangebot für HHLA ins Spiel

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    • Mit der Übernahme von fast 50% der HHLA durch MSC entstünde eine interessante Konstellation:

      Hapag Lloyd ist in Hamburg größter Reedereikunde, der HL Anteil am Containerumschlag wird auf ca. 25% geschätzt,
      Die THE Allianz, bei der Hapag Lloyd Mitglied ist, soll ca. 50% des Aufkommens im HH generieren.
      Hapag Lloyd ist mit 25,1% an der Betriebsgesellschaft des größten HHLA Terminals, dem CTA (Containerterminal Altenwerder), beteiligt.

      Die chinesische COSCO Reederei ist mit ebenfalls 25,1% am CTT (Containerterminal Tollerort) der HHLA beteiligt.

      Hapag Lloyd und COSCO bekämen dann in der HHLA Dachgesellschaft den großen Wettbewerber MSC "übergestülpt".

      Die Hansestadt Hamburg ist über eine landeseigene Beteiligungsgesellschaft mit fast 14% an Hapag Lloyd beteiligt und hat in den letzten Jahren durch enorme Dividendenzahlungen von den Milliardengewinnen der HL profitiert.

      Beim HHLA Wettbewerber Eurogate, mehrheitlich Betreiber der Containerterminals Wilhelmshaven und Bremerhaven und eines eigenen Terminals in HH, ist MSC Großkunde:
      Diverse Liniendienste von MSC laufen das Hamburger Eurogate Terminal an.
      In Bremerhaven hat Eurogate mit MSC ein 50/50% Terminal Joint Venture , das MSC Gate.

      MSC hat angekündigt bis 2031 seinen Containerumschlag bei der HHLA auf 1 MioTEU pro Jahr zu steigern (Gesamtumschlag HHLA 2022 ca. 6,4 MioTEU).
      Das wird nur über Umschichtung von Mengen von anderen Häfen und Terminals realisierbar sein.
      Und vermutlich noch mehr dadurch, dass MSC den anderen Reedern durch aggressiven Wettbewerb Mengen abnimmt.

      Kann dazu führen, dass Container, die heute von den HHLA Kunden und Terminalpartnern Hapag Lloyd und COSCO in HH umgeschlagen werden, zukünftig von MSC umgeschlagen werden:
      Steigerung der MSC Mengen bei neutralem Aufkommenseffekt für den Hamburger Hafen?

      Der Deal beinhaltet in vieler Hinsicht enormen Zündstoff...

      Zusammenfassung der Situation und Reaktionen bei der DVZ online (aktuell frei lesbar):
      dvz.de/rubriken/see/detail/new…w7WW_W3GE1AGkfBXyE3wopSLw

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    • thommygera schrieb:

      Also kurz zusammen gefasst, kann der Herr Kühne der Stadt Hamburg richtig weh tun? @Ahnungslos 3.0
      Würde ich so nicht sagen ;)
      Sicher kontrolliert K&N als weltgrößter Seefracht-Spediteur ein großes Containervolumen. Kühne wird aber als Kaufmann nicht aus Trotz an Hamburg vorbeirouten.
      Ausschlaggebend wird sein, wie sich Hapag Lloyd mittelfristig bei dem neuen Szenario orientiert .
      HL ist mit 30% am Eurogate Terminal in Wilhelmshaven beteiligt. Wenn HL bzw. THE Alliance die Fernostdienste nach stärker nach WHV verlagert und zusätzlich beginnen würde, mit Nordatlantik Diensten WHV anzulaufen, würde es Hamburg schon merken.

      Insgesamt sehe ich eher ein Szenario, wo der Wettbewerb zwischen den deutschen Häfen um die Mengen verschärft wird wie eine Stärkung der deutschen Häfen gegenüber den Wettbewerbern Antwerpen und Rotterdam.
      Antwerpen wird der Haupthafen von MSC in Nordeuropa bleiben, von den Mengen dort wird nichts Richtung Hamburg wandern.

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    • HL hat eine Mengenreduzierung um 30% durchsickern lassen. Hier wird einer Menge Leuten auf die Füße getreten. Ich denke, Hamburg verramscht gerade das Tafelsilber. Warten wir mal ab.
      Toleranz ist der Verdacht, das der andere Recht hat . Kurt Tucholsky

      Ein chinesisches Sprichwort sagt: Schläfst du ein mit Hintern der juckt, wachst du auf mit Finger der stinkt!
    • thommygera schrieb:

      HL hat eine Mengenreduzierung um 30% durchsickern lassen.
      Konkreter wird es hier
      Neuer Bieter um HHLA-Anteile: Hapag-Lloyd droht Hamburg mit Teil-Rückzug - n-tv.de
      Der Hapag Lloyd Vorstandsvorsitzende Rolf Habben Jansen bringt seine Geschütze in Stellung:
      - Gegenangebot momentan nicht beabsichtigt, aber
      - HL wickle momentan fast 100% des Volumens für Zentraleuropa über Hamburg / HHLA ab
      - könne sich auch ein Szenario vorstellen, wo es nur noch 70 oder 80% sind
      - Zuwachs werde man zukünftig eher in Wilhelmshaven haben, event. Bremerhaven
      - Schritt des Hamburger Senats könne sich als Nullsummenspiel erweisen

      Hapag Lloyd hat 2019 seine Transatlantik-Dienste von Bremerhaven nach Hamburg verlagert.

      Dafür kommt ein neuer Akteur ins Spiel:
      Thomas Eckelmann, Hauptaktionär des Eurokai-Konzerns, zu den Eurogate mehrheitlich gehört, sagt dass er ein Gegenangebot in Betracht ziehe.
      - Wechsel von MSC von Hamburger Eurogate-Terminal zu HHLA würde 25-30% des Umschlagsvolumens kosten
      - aber im Gegenzug könne man HHLA Kunden gewinnen, so dass unter dem Strich vielleicht ein Zuwachs komme..
      (Wink mit dem Zaunpfahl: wenn MSC zu HHLA wechselt, ziehen wir Hapag / THE Alliance Volumen zu uns )

      Das ist ein cleverer Schachzug:
      HHLA und Eurogate haben MItte 2022 ihre Kooperationsgespräche mit dem Ziel eines deutschen Hafenverbunds auf Eis gelegt.
      Es sollen auch atmosphärische Gründe wegen des herrisch-dominanten Auftretens der HHLA Chefin Angela Titzrath eine Rolle gespielt haben.

      Mit einer Beteiligung der Eurokai an der HHLA käme nun wieder ein nationaler Hafenverbund zustande.
      Man kann davon ausgehen, dass im Hintergrund Hapag Lloyd und Kühne als Unterstützer mit im Boot sind.

      Die Lösung würde sicher in der maritimen Wirtschaft, der dt. Wirtschaft allgemein und auch in der öffentlichen Meinung und Politik viele Unterstützer finden.

      Die Gewerkschaften machen auch gegen den MSC Deal mobil: Ver.di hat für heute eine Demonstration in der Hamburger Innenstadt angekündigt.

      Da wird noch mit sehr harten Bandagen gekämpft werden....

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    • Welches Potential hat der MSC Einstieg für Hamburg?
      Mal ein genauerer Blick darauf:

      MSC verspricht Verlagerung von kaufmännischen Aktivitäten nach Hamburg:
      Die MSC Germany SA & Co. KG hat heute schon ihren juristischen Firmensitz in HH, mit einem Teil der Aktivitäten und Arbeitsplätze in Bremen.
      Die Tochtergesellschaft Medlog Germany GmbH - MSC Speditionssparte und Dienstleister für die Container-Hinterlandlogistik - hat ihren Firmensitz in Bremen.
      Wahrscheinlich ist, dass der Standort Bremen zu Gunsten Hamburgs reduziert wird und die Medlog ihren juristischen Sitz von HB nach HH verlegt.

      sonstige Schiffahrtsaktivitäten:
      MSC ist mit der Tochtergesellschaft MSC Cruises auch ein großer Akteur im Kreuzfahrtgeschäft. Mehr Anläufe in HH bringen mehr Tourismus-Einnahmen.

      Containergeschäft:
      MSC verspricht eine Steigerung des Umschlagsvolumens in HH auf 1 Mio TEU bis 2031, die aktuelle Umschlagszahl ist nicht bekannt.
      Die Treiber des Booms in den letzten Jahren, China-Handel und E-Commerce, schwächeln.
      Der Trend zur Globalisierung ist gestoppt. Das Gütervolumen - zumindest von und nach Europa - wird in den nächsten Jahren voraussichtlich stagnieren.

      Für MSC ist Hamburg nur eine Karte im Spiel.
      Die MSC Terminalsparte TIL expandiert ebenso in den anderen nordeuropäischen Häfen:
      - betreibt in Antwerpen zusammen mit der Hafengesellschaft PSA das größte Terminal auf dem Kontinent (Kapazität 9 MioTEU)
      - hat angekündigt, zusammen mit Hutchinson Port in Rotterdam bis 2027 ein neues Terminal mit 6-7 MioTEU Kapazität zu bauen
      - investiert 700 Mio€ in die Terminals in Le Havre, sollen auf eine Kapazität von 4,5 Mio TEU ausgebaut werden
      (Quellen: div. Berichte DVZ)

      Die Überlappung mit Rotterdam / Antwerpen bei den Kerneinzugsgebieten im Hinterland ist begrenzt.
      Beim Transshipment-Volumen ist HH geografisch nur für den Ostseeraum und Skandinavien im Spiel.
      MSC hat dieses Jahr mit dem Swan-Service einen direkten Dienst von Fernost in die Ostsee mit Anläufen in Polen und im Baltikum gestartet.

      Auch bei einem genaueren Hinschauen wird der MSC Deal mit Hamburg zunächst in erster Linie zu Lasten Bremen / Bremerhaven gehen.
      Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass MSC seine Mengenzusage 1 MioTEU in 2031 nicht aus wachsendem Handelsvolumen realisieren kann, sondern von anderen Carriern bestehendes Hamburg-Volumen abwerben wird.
      Die Abwanderung von Volumen anderer Carrier, insbesondere von Hapag Lloyd / THE Alliance, Richtung Wilhelmshaven / Bremerhaven ist nicht nur eine leere Drohung.
      Insbesondere in WHV ist Kapazität da, die nur gefüllt werden muss.

      Das Szenario eines Nullsummenspiels für HH ist wahrscheinlicher wie ein enormes Wachstumspotential.
      Für die deutschen Häfen in der Gesamtschau ist das Nullsummenspiel garantiert.
    • Bremerhaven ist doch bis auf Autoexport schon tot. Legt doch eh kaum ein Dampfer an.

      Ich verstehe bis heute nicht, das die direkt Wilhelmshaven anlaufen. Spart 3 Tage und Tidenunabhängig. Durch diese ganzen Klassenkämpfe verlieren alle deutschen Häfen, Rotterdam mit seinem Neubau gewinnt. Dazu Koper und einige kleinere Südhäfen....

      Für MSC ist es ein Mengenverlagern wie Ahnungslos schon schrieb, einfach aus HB was abziehen und schon sind Umsätze in HH generiert....

      Und Hapag zieht mal 20 % ab und der Hafen wird es merken. Schicke mal jedes 5. Schiff woanders hin, das fällt auf...
    • onkelp schrieb:

      Bremerhaven ist doch bis auf Autoexport schon tot. Legt doch eh kaum ein Dampfer an.
      Ganz so schlimm ist es noch nicht:
      Aktuell liegen lt. vesselfinder an den drei Containerterminals entlang der Stromkaje sieben Containerschiffe. Das ist so die übliche Anzahl.
      Aber generell ist der Umschlag in BRHV rückläufig.
      Gegenüber in Wilhelmshaven ist es heute richtig lebhaft: Zwei Schiffe, ein großes von OOCL aus Fernost und ein kleinerer Ostsee-Feeder von Maersk.
      In WHV ist schon mal 1-2 Tage der Kai völlig leer, wenn man bei den Schiffstrackingdiensten schaut.

      Von den drei Terminals in BRHV scheint das gemeinsam mit Maersk betriebene North Sea Terminal (NTB) noch am stärksten frequentiert zu sein.
      Beim MSCgate ist- rein optisch nach Draufsicht bei Schiffstrackern - am wenigsten los.
      Vermutlich läuft einiges MSC Volumen auf Maersk Schiffen in den M2 Gemeinschaftsdiensten und wird über das NTB Terminal entladen.
      Wenn die M2 Allianz Anfang 2025 ausläuft, werden auch da die Karten neu gemischt.

      Ich schätze das Volumen ist schon teilweise in den Mengenzusagen inkludiert, die MSC in Hamburg abgibt.
    • Die Umschlagszahlen der deutschen Containerterminals für das 1. Quartal 2023 (Quelle: Eurokai und HHLA Quartalsberichte)
      HHLA Terminals Hamburg 1.416.000 TEU (-18,8% zu Q1 2022)
      Eurogate Terminal Hamburg 459.000 TEU (-18,9%)
      Eurogate Terminals Bremerhaven 982.000 TEU (-20,0%)
      Eurogate Terminal Wilhelmshaven 155.000 TEU (-20,4%)

      Zum Vergleich die Westhäfen Q1 2023
      Rotterdam 3.200.000 TEU (-11,6%)
      Antwerpen (mit Zeebruegge) 3.100.000 TEU (- 5,7%)

      Wenn man die absoluten Umschlagzahlen von Rotterdam / Antwerpen und die vergleichsweise geringen Einbrüche sieht, ist klar, wohin die deutschen Häfen mit ihrer von Stadt- und Landesinteressen dominierten Kirchturmstrategie marschieren. Das wird durch den HHLA / MSC Deal weiter forciert werden.

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