Transportunternehmer / LKW-Demo Berlin 19.6.2020 / 25.03.2021

  • Moin,
    als überzeugter "Nicht-Fuhrpark-Besitzer" sehe ich auch beim Nicht-Konsens den Konsens "dass viele Wege nach Rom führen".
    Abgesehen von dem, was gar nicht geht, sich als junges Unternehmen ohne in der Vergangenheit verdiente Millionen einen auf Image und Show getrimmten Fuhrpark aus Nobelmarken zu leisten, ist vieles eine Frage der persönliche Mentalität, womit man sich wohl fühlt, was im eigenen Unternehmen und bei der eigenen Situation funktioniert.

    Ich bin nicht grundsätzlich gegen das Demonstrieren, jedoch haben Demos naturgemäß eine starke Anziehungskraft auf die "Show-Jungs" ("statt am WE auf die Truckshow fahre ich mal hupend durch Berlin-Mitte") aus der Bling-Bling Ecke. Da werden dann berechtigte Forderungen mit völlig absurden vermischt. Das ist ein Umfeld, das man als realistischer Unternehmer meiden sollte.

    Zielführender ist Lobby-Arbeit über die Verbände und selbst die Politik ansprechen und informieren. Neben den eigenen Wahlkreisabgeordneten besser die Fachpolitiker die im Bundestag oder EU-Parlament in den Fachauschüssen sitzen.

    Mich wundert, dass das EU Mobiltätspaket, das viele der Missstände anpackt, in der Branche noch weitgehend " unter dem Radar" läuft und kaum wahrgenommen wird.
    Das ist ein komplexes Werk aus drei Verordnungen und Richtlinien. Leichter als tiefer in die Materie einzusteigen ist es natürlich zu krakehlen, dass Politiker und "die da oben" nichts tun oder nur Mist machen.

    Einige Punkte:
    - EU-Lizenz, Sach- und Fachkunde ab 2,5to
    - Fahrerrückkehr nach max. 4 Wochen
    - Fahrzeugrückkehr nach spätestens 8 Wochen
    - Nachweis finanz. Leistungsfähigkeit bis 3,5to: 1.800€ + 900€ für jedes weitere 2,5-3,5to
    - „Abkühlphase“ nach Kabotage 3x7 : 4 Tage
    - Sonderregelung für Vor- und Nachläufe im kombinierten Verkehr?
    - intelligente Fahrtenschreiber, Umrüstung Altfahrzeuge bis 2024/2025
    - Digitacho ab 2,5 to ab 01.07.2026
    - Rückkehr nach max.4 Wochen zur Betriebsstätte oder Wohnsitz
    - Verbot Leistungslöhne (Km oder Tonnage)

    In der Ausgestaltung ist es natürlich nicht das deutsche Wunschkonzert, vieles hätte härter sein können. Aber das ist nun mal so im Interessenausgleich zwischen 27 Staaten.
    Ich bin eher positiv überrascht, im welchem Umfang sich die deutschen/westeuropäischen Positionen durchgesetzt haben.

    Und bei der Gelegenheit möchte ich mal eine Lanze für die so viel gescholtenen Politiker brechen. Es gibt wirklich gute Fachpolitiker, die für das Verkehrsgewerbe ansprechbar sind und für deren Belange.
    Stellvertretend dafür z.B. Ismail Ertug von der SPD, der im Europaparlament das Mobilitätspaket massgeblich mit gestaltet hat. Auch der parlamentarische Staatssekretär im Verkehrsministerium, Steffen Bilger von der CDU, macht meiner Meinung einen guten Job.
  • Die Punkte, die Du aufgeführt hast, mögen ja in Ordnung sein.
    Aber schafft man damit nicht ein bürokratisches Monster?
    „Abkühlphase“ nach Kabotage 3x7 : 4 Tage usw. - wer will das wirksam kontrollieren?
    Und je komplexer solche Verordnungen sind, desto mehr Schlupflöcher tun sich auf, diese Verordnungen zu umgehen.

    Du schreibst ja selbst "Das ist ein komplexes Werk aus drei Verordnungen und Richtlinien." Wahrscheinlich wird es noch durch nationale Umsetzungsbestimmungen erweitert. Und das soll praxisnah sein? Daran glaube ich nicht.


    Der Interessenausgleich zwischen 27 Staaten hat einen großen Nachteil: Je größer die Unterschiede der Lebensumstände in den 27 Ländern sind, desto kleiner wird die Möglichkeit, wirklich einen Interessenausgleich zu schaffen. Man kann da nicht wirklich auf einen gemeinsamen Nenner kommen zwischen beispielsweise Rumänien und Deutschland.


    Was ist das Ende vom Lied? Die Angleichung der "Lebensumstände". Aber am Ende werden nicht die Rumänen (Bulgaren, Letten, Slowaken usw.) die Lebensumstände der Deutschen (Franzosen, Niederländer usw.) bekommen, sondern die Deutschen werden sich in Richtung Lebensumstände der Rumänen bewegen, Stichwort Ausweitung des Niedriglohnsektors. Wir erleben es doch jetzt schon jeden Tag.

    Meiner Meinung nach ist es gar nicht das Interesse der EU, dem einfachen Mann in den Industrieländern ein gutes Auskommen zu sichern. Ich sehe die EU vielmehr als supranationales Konstrukt zur Profitmaximierung von Großkonzernen und zum Drücken von Preisen, um konkurrenzfähig zu anderen Wirtschaftsräumen, z. B. Südostasien, zu sein (ab "und" später ergänzt).
    Um den Bogen zurück zum EU Mobiltätspaket zu schlagen: Wer wird das "komplexes Werk aus drei Verordnungen und Richtlinien" besser umsetzen können, der kleine Unternehmer mit 5 LKW oder die Großspedition mit 100 Fahrzeugen?

    Gruß vom Excelfan
    ----------------------------------------
    www.online-fuhrparkverwaltung.de

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von Excelfan () aus folgendem Grund: Ergänzung

  • Hi,

    Excelfan schrieb:

    „Abkühlphase“ nach Kabotage 3x7 : 4 Tage usw. - wer will das wirksam kontrollieren?
    Mit der neuen Generation des Digitachos, dem intelligenten Fahrtenschreiber, soll das ab 2025/2026 wohl möglich sein.

    Excelfan schrieb:

    Und je komplexer solche Verordnungen sind, desto mehr Schlupflöcher tun sich auf, diese Verordnungen zu umgehen.
    Klar werden die sich auftun, wir leben nun mal in einer unperfekten Welt. Man kann natürlich den Anspruch an die Politik haben, die idealen Maximallösungen zu liefern.
    Dann wird man immer hadern und von vorherein das Glas als halb leer statt als halb voll sehen.

    Excelfan schrieb:

    Was ist das Ende vom Lied? Die Angleichung der "Lebensumstände". Aber am Ende werden nicht die Rumänen (Bulgaren, Letten, Slowaken usw.) die Lebensumstände der Deutschen (Franzosen, Niederländer usw.) bekommen, sondern die Deutschen werden sich in Richtung Lebnensumstände der Rumänen bewegen, Stichwort Ausweitung des Niedriglohnsektors. Wir erleben es doch jetzt schon jeden Tag.
    Als wahrscheinliches Szenario aus schrittweisen Umsetzung des Mobilitätspakets sehe ich eine teilweise Einflaggung von LKW aus den "Ostflotten" nach DE.
    Das habe ich bereits hier geschrieben:
    forum-speditionen.de/eu-mobilitaetspaket-20122
    Deutsche EU Lizenz, deutsche Arbeitsverträge , Steuern und Abgaben in DE: passt :D

    Das Paradebeispiel, dass es mit der Anpassung des Lebensstandards noch oben funktioniert, ist Polen. Die waren vor 25 Jahren noch auf einem Level wie heute Rumänien.
    Und haben in unserer Branche den Aufstieg vom Hilfsarbeiterniveau auf den des hochqualifizierten Facharbeiters geschafft.
    Mit Fleiss und mit der Nutzung von Chancen.

    Excelfan schrieb:

    Um den Bogen zurück zum EU Mobiltätspaket zu schlagen: Wer wird das "komplexes Werk aus drei Verordnungen und Richtlinien" besser umsetzen können, der kleine Unternehmer mit 5 LKW oder die Großspedition mit 100 Fahrzeugen?
    Logischerweise die Großspedition - Stichwort "unperfekte Welt" :D - aber auch für den Kleinen wird es schlussendlich positive Effekte haben.
    Und wer sich als Kleiner in einem Marktumfeld bewegt, wo er sich im Wettbewerb mit den Grossen fühlt, und daraus den Anspruch ableitet, dass die Politik das Marktumfeld schaffen müsste, damit sein Geschäftsmodell komfortabel funktioniert, der sollte besser seinen Gewerbeschein abgeben und sich eine abhängige Beschäftigung suchen.
    Als Kleiner kommt man nur als "Nischenanbieter" über die Runden - ich weiss ich wiederhole mich :)
  • Excelfan schrieb:

    Aber schafft man damit nicht ein bürokratisches Monster?

    Excelfan schrieb:

    Und je komplexer solche Verordnungen sind, desto mehr Schlupflöcher tun sich auf, diese Verordnungen zu umgehen.

    Ahnungslos 3.0 schrieb:

    Klar werden die sich auftun, wir leben nun mal in einer unperfekten Welt. Man kann natürlich den Anspruch an die Politik haben, die idealen Maximallösungen zu liefern.
    Dann wird man immer hadern und von vorherein das Glas als halb leer statt als halb voll sehen.
    Muss ich korrigieren/ergänzen:
    Mit dem sog. Moblitätspaket wird kein neues zusätzliches Regelwerk geschaffen, sondern bestehende Verordnungen und Richtlinien werden reformiert, wenn man so will "verschärft".
    Dies sind:
    - Verordnung für den Berufszugang und Marktzugang
    - Verordnung über Lenk- und Ruhezeiten sowie Fahrtenschreiber
    - Entsenderichtlinie
    Hier der Link zur Homepage des Europäischen Rats, unter der Pressemitteilung sind die Verordnungen/Richtlinien mit dem Änderungen abrufbar.
    Mobilitätspaket: Rat verabschiedet Reform des Regelwerks für Lkw-Fahrer - Consilium
  • Moin,

    aktueller Bericht des ARD zu Dumpingpreisen in der Logistikbranche:
    Exakt: Dumpingpreise in der Logistikbranche | ARD Mediathek

    Es sind immer wieder TU's aus der gleichen Schublade, die dann "repräsentativ" für die Branche sprechen.
    Am Anfang der Zoom auf den Fuhrpark des Thüringer Kühl-TU's ("...man braucht im Kühlerbereich 2€ auf den Kilometer....") und was sieht man?
    Die aufgemotzten Zirkus-LKW aus der schwedischen Nobelschmiede, und .... 750 PS
    Klar das braucht man....

    Kann mich nur wiederholen :P

    Ahnungslos 3.0 schrieb:

    Transportunternehmer, die ihren Fuhrpark nicht nur unter nüchternen betriebswirtschaftlichen Aspekten sehen, sondern für die Fuhrpark auch was zum Herzeigen und das eigene Ego ist. Die ihre Kisten am Wochenende gerne auf Truck-Shows präsentieren.

    Sorry, aber der Markt wird denen nie die Preise bezahlen, die den Hobby-Aspekt an ihrem Geschäft mit bezahlt.
    Der war natürlich auch bei der Demo in Berlin:

    Fuchs schrieb:

    manche brauchen halt geile karren für ihr ego bzw. hobby, aber ein hobby MUSS ich mir eben leisten können , da nützt es nichts wenn ich nach berlin zum hupen fahre.
  • Die Sorte TU sollte auf ihren Frachtrechnungen statt eines Treibstoffzuschlags einen "Bling-Bling"-Zuschlag für Lampen und Lackierung aufführen, so 0,50€ pro km, mindestens 50€ pro Transport.

    Aber wahrscheinlich haben wir einfach nicht den richtigen Durchblick:
    Die 750 PS braucht man, um die Zeitfenster beim Discounter einhalten zu können und mit dem schönen LKW wird man dort auch schneller entladen und schafft dann eine Zusatztour pro Woche :thumbsup:
  • Auch skurril der Auftritt vom Boss der Ludwigsfelder Logistik weiter hinten im Beitrag:

    Er erklärt mit der Timocom auf den Monitor den Spotmarkt:

    "70% der Transporte werden über Frachtenbörsen gehandelt"
    " die Angebote bei denen die Preise angezeigt werden, sind noch die mit relativ guten Preisen. Bei den Angeboten mit den ganz schlechten Preisen steht kein Preis drin. Da warten die Anbieter bis die TU anrufen"
    ;( ... wenig Ahnung, aber im Fernsehen den Durchblicker geben.
    Dazu passt, wenn beim Kamera-Schwenk über seinen Kühler-Fuhrpark der Sprecher dramatisch mitteilt "....einige LKW's stehen schon seit Wochen...."
    Jo, Lebensmittel lief aber so was von gar nicht ..... oder war es Automotive..... egal ..... alles steht.....

    Lustig auch die Szene mit dem Thüringer Bling-Bling TU am Anfang als er danach gefragt wird, was man so pro Kilometer mindestens braucht...
    Angestrengtes Nachdenken, Stirnrunzeln und Rumeiern bevor er dann die 2€ raushaut....
    Das ist die Sorte TU , die mehr Spass am Felgen auf Hochglanz polieren hat wie an der Fahrzeugkostenrechnung....
  • derandereTU schrieb:

    @Ahnungslos 3.0
    Schön wie du auslässt, dass die 750ps vom Holzzug sind

    die Kühlerflotte sieht nicht so neu aus
    Wenn die 750 PS dem Volvo Holzzug gehören: Für das Einsatzgebiet lass ich ein paar PS mehr schon durchgehen :D
    Aber das Scania Zirkuspferdchen, an dem die beiden fleissig rumschrubben, sieht auch nicht nur nach 450PS aus.
    Aber das werden mir die Fachleute hier für das rollende Material sicher noch genauer sagen können :)

    Ein Fuhrpark, der auf Wirtschaftlichkeit und niedrige Betriebskosten getrimmt ist, sieht definitiv anders aus.
  • Ahnungslos 3.0 schrieb:

    Wenn die 750 PS dem Volvo Holzzug gehören: Für das Einsatzgebiet lass ich ein paar PS mehr schon durchgehen
    Ich habe als bekennend Ahnungsloser in Sachen LKW-Technik mal recherchiert und stelle fest:
    Die 750 PS müssen definitiv dem Volvo-Holzzug gehören, Volvo ist momentan mit 750 PS das non-plus-ultra was an Leistung auf dem Markt ist.
    Scania hört bei 730 PS auf.
    Allerdings auch da: Ich verstehe, dass man im Waldeinsatz mit den üblichen 4-500 PS Brot -und Butter LKW's nicht ausreichend motorisiert ist, vor allem wenn's ins Mittelgebirge rein geht.
    Aber wenn sich ein TU mit vier LKW zu seinen drei Scanias im Kühlverkehr noch einen Holzzug zulegt und es tut dann nicht die 600+ Maschine, sondern es muss das absolute 750PS Poser-Modell sein, dann braucht er sich nicht vor eine Kamera stellen und mit sorgenvollem Blick über den ach so unfairen Wettbewerb durch die Ost-LKW jammern.
    Wie heisst es so schön in einem Testbericht: "Der Volvo FH16 mit 750 PS definitiv kein Vernunft-LKW"
    Und für Unvernunft muss man bezahlen...
    Basta!
  • @Ahnungslos 3.0

    ahnungslos, ich verstehe wie zumindest 95% der Mitleser was du meinst, doch finde ich , dass du dich ziemlich oft wiederholst.
    Du hast recht, dass es kein 750er Volvo sein muss.
    Aber nur, weil er einen 750er Volvo fährt sprichst du ihm das Recht ab die Frachtraten zu bemängeln - und das kann es auch nicht sein, oder wie findest du das?

    vielleicht siehst du das Problem als nicht so extrem an, weil du ein „überzeugter nicht Fuhrparkbesitzer bist“?
    Was hälst du davon?