Lidl : Lohnt sich ........ ein eigenes Containerschiff? ^^

Es ist interessant und spannend, bei den Schiffstracking-Diensten zu verfolgen, wie Tailwind auf die Quasi-Sperre des Transits durch das Rote Meer und den Suez-Kanal reagiert.
Zwei Schiffe, die fahrplanmäßige "JADRANA" und das Zusatzschiff "TIGER" wurden ad-hoc um das Kap der guten Hoffnung herum in den Südatlantik umgeleitet.
Beide treffen kurz hintereinander, am 10.01. und 12.01. in Barcelona ein, bevor sie nach Rotterdam weiterlaufen.
Der reguläre erste Anlaufhafen Koper in der Adria entfällt, vermutlich wird die komplette Mittelmeer-Ladung in Barcelona gelöscht.

Unterdessen hat Tailwind die kleinen Feederschiffe, die letztes Jahr im eingestellten Bangla-Desh Direktservice eingesetzt waren, aus ihren europäischen Shortsea (Sub-)Chartern herausgenommen und in Barcelona positioniert.
Die "FAITH" welche seit Juni 2023 im Mittelmeer zunächst bei der Akkon-Line und dann bei ONE in (Sub?)Charter eingesetzt war, hat Anfang Januar in Koper geladen und liegt jetzt in Barcelona am Kai. Höchstwahrscheinlich brachte sie Leer- und Exportcontainer aus Koper, die wegen ausgefallener Direktanläufe nicht hätten abfliessen können.
Die "SOLONG", welche seit Oktober 2023 in einer Subcharter bei Unifeeder in der Nord- und Ostsee lief, hat Ende Dezember diese Beschäftigung beendet und ankerte mehrere Tage im Ärmelkanal vor der englischen Küste. Dann verlegte sie ins Mittelmeer und liegt seit gestern in Warteposition in Sichtweite vor Barcelona.

Beide Schiffe werden höchstwahrscheinlich im Feederdienst zwischen Barcelona und Koper pendeln, solange der China/Fernost-Service umgeleitet wird.
Die beiden nächsten fahrplanmäßigen Schiffe, "MV CHICAGO" und "PANDA 001" werden laut Fahrplan ebenfalls via Südatlantik nach Barcelona als ersten Anlaufhafen geroutet und dort Ende Januar / Anfang Februar eintreffen.
Ausserdem wurde ein kleineres Zusatzschiff eingechartert, die chinesische 1908TEU "ZHONG GU DONG HAI". Dieses Schiff lädt ab dem 16.01. in China und läuft dann nur ins Mittelmeer nach Barcelona und Koper.

Allgemein wird in Fernost ein Mangel an Leercontainern erwartet, da die Boxen mit Verspätung ex Europa nach China zurückkommen.

Diese "Feuerwehr-Aktionen" werden Lidl viel Geld kosten. Aber vermutlich immer noch viel weniger wie man als Kunde bei den Großreedereien an Aufschlägen bezahlen müsste.
Bei den beiden Feederschiffen im Mittelmeer dürften sich eventuell noch freie Rest-Stellplätze gut vermarkten lassen. In den westlichen Mittelmeerhäfen werden aktuell außerplanmäßig viele Boxen aus Fernost gelöscht werden, für die ad-hoc Feederkapazität für den Weitertransport zu den östlichen Mittelmeerhäfen benötigt wird.

Manchmal ist ein bisschen "Eigen-Fuhrpark" oder "Eigen-Flotte" doch recht nützlich ...

Die DVZ berichtet unter der Überschrift "Krise im Roten Meer treibt Wettbewerb um Tonnage an"
- Linienreedereien chartern kleinere Zusatzschiffe sogenannte "extra loader" für die Umläufe Fernost - Europa ein
- Charterraten gehen kräftig nach oben , Index für Schiffe der Panamax-Klasse (ca. 4.000 TEU) ist um 8,5% gestiegen, Tagesraten für ca. 3.500 TEU um bis zu 2000$
- Nachfrage nach Feederschiffen unter 2.000 TEU im Mittelmeer, um die in den westlichen Häfen gelöschten Boxen weiterzubefördern
- Stellplatzkapazität Fernost - Europa wird zum Chinese New Year um den 10. Februar hin absacken
Die Hapag Lloyd hat sich die 3.400TEU „Zhong Gu Shan Dong“ als extra loader gesichert.
Die chinesische Zhonggu Shipping Group hat wohl die Nase gut im Wind und profitiert, Tailwind hat die kleinere "ZHONG GU DONG HAI" eingechartert.

Update zum Tailwind-Geschehen im Mittelmeer:
Die "JADRANA" liegt am Kai in Barcelona und löscht, das Zusatzschiff "TIGER" läuft die spanische Küste hoch und ist morgen Vormittag in Barcelona.
Die beiden kleinen Feeder "FAITH" und "SOLONG" liegen in Warteposition vor Barcelona.

Übersetzt für uns LKW-Spediteure: Die Nahverkehr-LKW's warten darauf, dass der Fernverkehr entladen ist und sie dann an die Rampe können

Auch ex Fernost ist bei Tailwind richtig Bewegung:
Als nächstes lädt am 16.01. das bereits bekannte Zusatzschiff "ZHONG GU DONG HAI", dann regulär am 18.01. die "WIKING".
Der Fahrplan weisst am 21. und 25. Januar zwei Zusatzabfahrten auf (120W und 130W), für beide sind noch keine Schiffsnamen benannt.
Dann kommt regulär Anfang Februar die "BUXWAVE", am 07.02. ist mit der "BG GREEN" (Reise 140W) eine vierte Zusatzabfahrt eingetragen.

Die "BG GREEN" ist ein Neubau direkt von der Werft, Flagge Portugal/Madeira lässt auf einen deutschen Eigner schliessen, Chartername "BG ..." deutet darauf hin, dass es für den europäischen Shortsea-Verkehr bei der BG Freight Line bestimmt ist.

Flapsig gesagt: Tailwind macht gerade richtig ein Fass auf , bei den nach oben schiessenden Raten dürfte sich freier Platz auf den Zusatzschiffen profitabel vermarkten lassen.

Die DVZ berichtet gestern unter der Überschrift "Lidl-Reederei Tailwind bündelt Umschlag in Barcelona".

Dem zufolge wird Barcelona als einziger Anlaufhafen in Europa bedient, die Ladung von dort nach Koper und Moerdijk (NL) gefeedert.
Es ist ein drittes Schiff für die Feederdienste ab Barcelona eingechartert:
Die 1118 TEU "WILHELMINE".
Die "WILHELMINE" gehört der Reederei Jens & Waller aus Drochtersen im Alten Land.

Sie liegt im Moment ebenfalls in Warteposition vor Barcelona, zusammen mit der "SOLONG" und der "FAITH"
Das Zusatzschiff "TIGER" aus Fernost ist dort ebenfalls eingetroffen, somit ankern vier Tailwind Schiffe vor Barcelona.
Das fünfte, die "JADRANA" hat Barcelona heute morgen um 02:30 verlassen und ist auf der Rückreise nach China.

D.h. es werden dort ca. 3.000 TEU vorgehalten, um die Koper- und Rotterdam- Ladung von zwei Schiffen mit 7.500 TEU abzufahren

Dann ist der Hafen von Barcelona ja ein richtiger Krisengewinner und freut sich über zusätzlichen Umschlag.
Die Reeder mit kleinen Feederschiffen, die gerade frei sind, freuen sich vermutlich auch über gestiegene Charterraten.

Update:
lt. theloadstar.com gestern ist der Spotmarktindex für 40' China - Nordeuropa diese Woche auf ca. 4400$ gestiegen, ein Anstieg um 164% seit dem 21.12.
Vor 2-3 Monaten lag der Spotmarktpreis noch bei ca. 1.000$.
Für Februar zirkulieren lt. Marktgerüchten für garantierte Buchungen Spotmarktraten von 10.000$ .

Der "Tailwind Schiffsparkplatz" vor Barcelona Stand 13.01.2024 10:00 Uhr

4x in Sichtweite vor Anker:
1x "Fernverkehr" , die "TIGER", wartet auf Rampen-, äääh ich meine Terminalplatz
3x der "Nahverkehr" : "FAITH", "SOLONG", "WILHELMINE"
"Flaschenhals Rampe" mal ganz anders:
nicht wie üblich vor den deutschen Lidl-Zentrallägern, sondern vorm Containerterminal in Barcelona

Naja dann wird es ja Zeit das LIDL das Terminal kauft und dort in deutscher Manier erst mal Buchungen über Cargoclix einführt

Aber schon eine interessante Entwicklung. Denke nicht umsonst fängt der Riese Maersk inzwischen an, mit neuen Leuten den Laden etwas zu entstauben...

Wird schwierig, das BEST Terminal in Barcelona gehört zu 100% Hutchinson, also (Hongkong-)chinesisch.

Unterdessen hat sich innerhalb eines Tages der Tailwind-Schiffsstau vor Barcelona schon fast aufgelöst:
- "SOLONG" lief gestern spätabends mit der Rotterdam-Ladung ex "JADRANA" nach Moerdijk / NL aus
- "FAITH" ist heute 9:30 mit Koper-Ladung ex "JADRANA" Richtung Koper unterwegs
- am Kai liegen derzeit direkt hintereinander das Zusatzschiff "TIGER" ex Fernost, und die "WILHEMINE"
Die "WILHEMINE" bekommt quasi im Direktumschlag die Koper-Ladung ex "TIGER" und läuft dann der "FAITH" hinterher
Die "TIGER" schippert danach weiter zum regulären Terminal in Rotterdam , dem ECT Delta Terminal. Falls noch Überhang von der "JADRANA" in BCN steht, geht das dort mit.
Ist zu groß für Moerdijk und ausserdem werden in R'dam ECT jede Menge Leercontainer und Exportcontainer stehen, die schnellstens nach China müssen, damit man dort bei Equipment nicht leer läuft.
Die kleine "SOLONG" die früher Richtung NL gestartet ist, läuft den Shortseahafen Moerdijk an. Umgeht die teuren und vermutlich momentan durch die ganzen Schiffsverschiebungen überlasteten großen Überseeterminals in Rotterdam.

Die wissen schon, was sie tun! Ganz großes Kino!

... alles sehr interessant zu lesen.

Unter'm Strich betrachtet also keine schlechte Entscheidung sich in dem Bereich eigenes Equipment zu sichern um flexibel reagieren zu können.


Thema Terminals:
Wenn also der Hongkong-Chinese sagen würde "du kummst hier nicht rein", dann gäb's in Barcelona keine andere Möglichkeit Container umzuschlagen?

Auch wenn es im letzten Jahr, als die Spot-Raten von astronomischen Höhen auf unter 1.000$ / 40' fielen, (mit Auswirkung auf die Kontraktpreise) für Lidl sicher eine zwiespältige Sache war, mit relativ kleinen Schiffe selber Reederei zu spielen:
In der momentanen Situation wird man wahrscheinlich sagen: Alles richtig gemacht. Viel Geld für's Krisenmanagement muss man momentan eh rauslegen.
Ob die gleiche Summe an die großen Carrier gezahlt den gleichen Effekt hätte in Sachen Lieferkettenkontrolle und Schadenminimierung: unwahrscheinlich.
Hier zieht man der eigenen Reederei Krisenmanagement wie aus dem Lehrbuch durch und streckt gleichzeitig halböffentlich den großen Carriern die Zunge heraus bzw. dreht ihnen eine lange Nase....
Wenn man freie Kapazitäten zu hohen Spotraten vermarkten kann, wird die Bilanz am Ende vielleicht gar nicht so schlecht sein.
"Worst case" hat man ja immer noch die Möglichkeit, dass der Aktionsartikel aus China kurz vor Prospektdruck noch von 13,99 auf 14,99 hochgesetzt wird.

Theoretisch ja, aber Hutchinson ist ein Mischkonzern und einer der großen Terminalbetreiber weltweit: auch am ECT-Terminal in R'dam sind sie beteiligt.
Warum sollten sie Geschäft von einem solventen Kunden wie Tailwind/Lidl ausschlagen?
In Barcelona gäbe es als Alternative noch die APM Terminals, der Terminaltochter von Maersk.
Die Reeder und Terminalbetreiber sind entspannt und professionell: Die kooperieren untereinander in den diversesten Kombinationen trotz Konkurrenzsituation,schlagen auch für Wettbewerber um, Geld stinkt nicht.
Falls Barcelona ausfällt: Valencia, Algeciras, Tanger, Setubal in PT sind in nächster Nähe und wären beim momentanen Routing via Südafrika sogar mit weniger Zeitverlust bedienbar...

Beispiel aus dem Reedereibereich: Hapag Lloyd, MSC und die chinesische OOCL haben gemeinsam einen Service von Nordeuropa zum kanadischen St.Lorenz-Strom/Montreal, in den alle drei Schiffe eingebracht haben.
Obwohl alle drei in unterschiedlichen Allianzen sind und vermutlich sogar innerhalb des gleichen Services Wettbewerber sind.
Wenn das Hapag Schiff vom MSC Terminal in Antwerpen Richtung Montreal ausläuft, sieht es schon mal auf den ersten Blick nach einem MSC Dampfer aus, weil im Decksstau die
MSC-Boxen optisch dominieren.

Sowas bekommen die Spediteure und Transportunternehmer untereinander mental kaum gebacken.

Die Schiffsnamen für das schnell aufgelegte "extra loader" Programm ex China sind jetzt bekannt.
Es ist noch ein fünftes Schiff dazu gekommen:
1) bereits unterwegs "ZHONG GU DONG HAI" 1908 TEU
2) 21.01. "ASIATIC NEPTUNE" 1147 TEU
3) 25.01. "KUMASI" 2207 TEU
4) 26.01. "CHATTANOOGA" 1036 TEU
5) 07.02. "BG GREEN" ??? TEU
plus die beiden regulären Abfahrten 16.01. mit "WIKING" und 05.02. mit "BUXWAVE"
Bis auf den Neubau "BG GREEN", der in den europäischen Shortsea-Verkehr geht, alles Schiffe der Feederklasse, die sonst innerasiatisch unterwegs sind.
Die werden jetzt mit hoher Taktung Richtung Europa in Marsch gesetzt....

Innerhalb kürzester Zeit wurde die Flotte auf 15 Schiffe verdoppelt.

Ich wiederhole mich: Ganz großes Kino!

... das sind also dazugecharterte Schiffe?

Heisst doch am Ende nix anderes als wenn auf dem Markt für solche Aktionen freie Kapazitäten für akzeptable Frachten zu bekommen sind.

Irgendwie nix anderes als wenn im Binnenland wegen Hochwasser oder Eis die Kanalschifffahrt nicht genug weg bekommt oder feststeckt. Das wird dann umgewuppt auf den Landtransport. Sobald die Kanäle wieder frei sind ist der Landtransport wieder raus.

Was dem Fuhrmann sein Lkw ist dem Kapitän sein Schiff.

ja, sind vermutlich alles Kurzzeitchartern, ob nun one-way China - Mittelmeer oder eine Rundreise Fernost - Mittelmeer - Fernost.
Die Schiffe sind den Trackingdiensten zufolge momentan noch in Fernost unterwegs, liegen also nicht beschäftigungslos rum...
Die Feederschiffe laufen häufig in relativ kurzen Chartern, da die Mengen dort schwankend sind. Kann sein dass der regionale Shortsea-Markt um Chinese New Year rum schwach ist.

Die Tagesraten sollen um rund 10% nach oben gegangen sein und weiter im steigen sein. Wenn allerdings der Markt für Spotbuchungen vor Chinese New Year Gerüchten zufolge Richtung fünfstellig geht, rechnet sich das.
Da die Charter Richtung westliches Mittelmeer geht, kann es auch attraktiv sein für die Vercharterer sein , die Schiffe von Fernost dorthin zu positionieren und im Anschluss von der Anfrage nach Feedern im Mittelmeer zu profitieren, solange das Rote Meer umgangen wird. Zwei der Schiffe scheinen französische und türkische Eigner in Hintergrund zu haben.
Ist ein Pokerspiel...

@Ahnungslos 3.0

MIR zeigt dieser von dir geschilderte zeitliche Verlauf, dass da bei Lidl jemand am Ruder ist, der sich schlicht und einfach auskennt, und diese Erfahrung nun par excellence einsetzt.

Ja: Großes Kino!

„Sowas bekommen die Spediteure und Transportunternehmer untereinander mental kaum gebacken.„

Aus der Schwerlast-Branche kenne ich es, dass man sich einfach auch mal zusammentut, um Projekte oder Situationen gemeinsam zu wuppen.

Der gemeine Transportunternehmer ist wie das Ruhrgebiet: 6 Mio Einwohner, zig Kommunalfürsten, und jeder dieser Fürsten köchelt nur die eigene Suppe. Und hat Angst, dass er in der Bedeutungslosigkeit versinkt.